Ich traf ihn vor vielen Jahren an einem
Sommermorgen im Süden Kaliforniens. Die Sonne schien warm auf einen
Teppich von kniehohem Gras und die Orangenbäume standen in Blüte.
Hier vom San Gabriel Valley aus konnten wir die Schatten der
Sierra Madre und ihre schneebedeckten Gipfel sehen.
Er saß aufrecht in seinem Sattel mit dem hohen Horn als er auf
mich zukam, die geschlossenen Romal-Zügel delikat in den
Fingern der linken Hand haltend.
Ich erkannte ihn sofort als einen „hijo del pais“, einen
typischen Oldtimer der kalifornischen Vaqueros. Sein Gesicht war
bärtig, braun und faltig, es zeigte die Herkunft des
latino-amerikanischen Völkergemisches Kaliforniens.
Er ritt eines der rassigsten Pferde, die ich je sah – einen
schimmernden Goldfuchs mit schwarzen Beinen und ohne einen einzigen
weißen Fleck, selbst seine Hufe waren schwarz. Trotz meiner Jugend
und Unerfahrenheit erkannte ich die Klasse dieses Pferdes, als der
alte Mann herankam und neben mir anhielt.
Damals gab es nur noch wenige der alten Vaqueros, Reiter einer
vergangenen Zeit, die mit den spanischen Longhornrindern und den
„Cimarones“ den Mustangs arbeiteten und heute Legende sind.
Er begrüßte mich mit einem herablassenden Lächeln, mit dem
selbstbewußte ältere Männer damals jungen Burschen begegneten und
fragte mich, wohin ich wolle.
Ich antwortete respektvoll: „Senor, ich kam, um Sie Ihr Pferd reiten
zu sehen.“
Jetzt lächelte er freundlich.
Sein Pferd stand absolut ruhig, nur die Ohren spielten vor und
zurück. Der alte Vaquero bewegte seine Füße in den Steigbügeln– die
Sporenketten klirrten in den Tapaderos. Als er die Zügelhand
hob, war das Pferd hell wach. Es hatte den Kopf gehoben, ein Ohr war
nach rückwärts gerichtet und zeigte dem Reiter seine
Aufmerksamkeit.
Dieser nahm ganz leicht die Zügel auf und drehte die linke Zügelhand
nach links. Das Pferd drehte blitzschnell um die Hinterhand links
herum. Dann stand es still. Er drehte die Hand ebenso leicht nach
rechts und das Pferd wirbelte rechts herum.
Er hob die Zügelhand ein wenig und ließ die Zügel vibrieren – das
Pferd schritt nicht, es trabte rückwärts.
Dann lehnte der alte Mann sich vor und das Pferd sprang vorwärts,
hielt aber wieder an, als er ihm die Zügel auf den Hals legte.
Der alte Vaquero ritt langsam 200 Schritte weit von mir fort und
wendete dann das Pferd in meine Richtung. Für einen Moment standen
sie wie ein Denkmal. Dann hob er die Zügel und lehnte sich nur wenig
nach vorne. Das Pferd sprang an und kam im vollen Galopp auf mich
zu. Direkt neben mir lehnte sich der alte Mann im Sattel zurück, hob
leicht die Zügelhand, ohne an den Zügeln zu ziehen. Das Pferd
stoppte, indem es die Hinterhand weit untersetzte und die Kruppe
einzog, als wollte es sich hinsetzen. Im nächsten Augenblick stand
es wieder vollkommen ruhig und mit gesenktem Kopf vor mir und kaute
ruhig auf seinem Gebiss.
Hätte der alte Mann ein Glas Wasser in seiner rechten freien Hand
mitgebracht, nicht ein Tropfen wäre verschüttet worden.
Ich mußte an die Geschichten meiner Großmutter denken von den
Vaqueros, die in Gruppen um die Wette ritten, Tabletts mit Gläsern
in der Rechten um ihr Wein zu bringen. So etwas geschah bei den
Reiterspielen der Fiestas von Los Angeles vor 100 Jahren, als meine
Großmutter und Kalifornien, als beide noch jung waren. Hier hatte
ich etwas gesehen, was mich in meinem ganzen Leben nicht wieder
loslassen sollte. Pferd und Reiter in vollkommener Harmonie.
Wo ich herkomme sagt man, wenn ein Mensch sich etwas ganz
sehnsüchtig wünscht, dann soll er beten. Ich habe damals gebetet.
Ich wünschte mir mit aller Macht, eines Tages ein Pferd so reiten zu
können wie dieser alte Vaquero. Er hatte es mit kaum sichtbaren
Gewichts- und Schenkelhilfen sogar im halsbrecherischen Tempo
beherrscht, mit wenigen Hilfen am losen Zügel. Es sah so leicht aus,
so elegant, so spielerisch. Pferd und Reiter strahlten so viel
Harmonie aus! Ich war davon überzeugt, dass beide Spaß an ihrem
Zusammenspiel hatten und stolz darauf waren.
Es war einfach vollkommen.
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